Die in Stuttgart großteils erhaltene charakteristische Stadtbaustruktur ist wesentlich durch das Ortbaustatut aus dem Jahre 1874 geprägt. Dazu gehören das Straßenraster, die Straßenhierarchien, die Blockrandbebauung, die Festsetzung von Geschosshöhen und die sogenannten Bauwiche.
Gebäude waren gemäß Ortbaustatut mit einem definierten Abstand zueinander zu errichten. Dieser Abstand wird noch heute als Bauwich bezeichnet und besitzt eine Breite von 2,865 Metern. Die primäre Aufgabe des Bauwichs bestand im Schutz vor Brandüberschlägen von Haus zu Haus, gleichzeitig erlaubt diese „Perforation des städtischen Blocks” auch die notwendige Durchlüftung der kesselartigen Stadttopografie.
In dem von Ihnen gewählten Bauwich sollen gemeinsam nutzbare Räume für die unmittelbare Nachbarschaft entstehen. Die konkrete Nutzung der Bauwiche ist von Ihnen selbst zu definieren und muss an den Bedürfnissen der Nachbarschaft orientiert sein (siehe Analyse/ Kartierung). Greifen Sie hier auf die Übung 1a der Grundlagen Städtebau zurück, in der Sie die Gegebenheiten und Besonderheiten der Straßensequenzen analysiert haben. Was fehlt in der Nachbarschaft? Wovon können die Bewohner am meisten profitieren? Mögliche Nutzungen für ihr Projekt können z.B. Veranstaltungsräume, Gästewohnungen, Mikrobibliotheken, Werkräume etc. sein.
Jedes Studio bearbeitet zunächst gemeinsam einen Straßenabschnitt innerhalb der vorgegebenen Straße. In diesem Straßenabschnitt ist jeweils ein Bauwich für jede Arbeitsgruppe von drei Studierenden festzulegen. Für die ausgewählten Bauwiche ist pro Studio ein gemeinsames, sich ergänzendes Nutzungskonzept zu definieren.
Ziel ist es, neue, qualitativ hochwertige Orte der Gemeinschaft für die Bewohner der Quartiere zu schaffen und durch die Neuinterpretation des Bauwichs die Grenzen des öffentlichen Raumes neu zu justieren.
Der Entwurf versteht sich als Intervention im bestehenden Stadtgefüge, planen Sie einen „wohlwollenden Parasiten”, der stützenfrei von Giebelwand zu Giebelwand der benachbarten Häuser spannt und dem es erlaubt ist, die gesamte Infrastruktur der Bestandsgebäude mitzubenutzen, also neben den tragenden Wänden bei Bedarf auch alle technischen Anlagen, wie Heizung, Sanitär- und Stromanlagen. Die Zugänglichkeit der rückwärtigen Grundstücke über den Bauwich muss erhalten bleiben (Durchfahrtshöhe mindestens 2,5m).
Die von Ihnen zu entwerfenden neuen „parasitären Nachbarschaftstreffs” verstehen sich als Testfelder, die helfen sollen das Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatheit neu auszutarieren. Die Konstruktion in Holzbauweise ist für eine Dauer von zunächst fünf Jahren zu planen, eine einfache Demontierbarkeit ist zu gewährleisten.
Betreuung: Sergi Egea Bohn M.A.