„Wohnen“ ist die zentrale Frage der Moderne. Die Debatten des "Congrès International d’ Architecture Moderne" (CIAM II), im Oktober 1929 und die nachfolgende Publikation „Die Wohnung für das Existenzminimum, mit einem Wohnungskatalog aus 100 Grundrissbeispielen und einleitenden Texten von Siegfried Giedion und Ernst May gehören zu den Grundlagen der Wohnungsbaudiskussion.
Henri Lefebvre hat 1968 mit seinem Buch „Le droit à la ville“ („Recht auf Stadt“) den Diskurs um die Einbeziehung der gesellschaftlichen Teilhabe erweitert und die Ausrichtung der Stadtentwicklung auf reine Verwertung kritisiert. Der Raum wurde politisch, während sich gleichzeitig der Wohnungskatalog als Instrument überlebt hatte. Wohnen und Stadt sind untrennbar miteinander verbunden.
Wir gehen dorthin, wo die Frage nach Wohnen und "Behaustsein" substanziell ist, wo Not alltäglich ist. Für eine ursprünglich von Obdachlosen initiierte informelle Siedlung aus den 1980er Jahren, die mittlerweile von der Evangelischen Gesellschaft (eva) betrieben wird, suchen wir Zukunftsperspektiven. Sie liegt auf einer schmalen "Insel", umschlossen von Neckar und Bundesstraße, nur einen Steinwurf von der Altstadt von Esslingen entfernt. Für das von der Stadtplanung geduldete, bundesweit einmalige, sogenannte „Berberdorf“, suchen wir nach Entwicklungsmöglichkeiten, um die „Wohnungsfrage", die damit verbundene Teilhabe und die Existenz der Bewohnerinnen und Bewohner auf eine neue Basis zu stellen. Ein veritabler Brückenschlag wird notwendig sein, um Bewohnerinnen und Bewohner an die Stadtgesellschaft sowohl in räumlicher als auch in sozialer Hinsicht anzubinden.
Die Herausforderung des Entwurfs umfasst die städtebauliche Neustrukturierung der Insel bis hin zur detaillierten Ausformulierung einzelner Räume und Raumsequenzen. Ziel ist es Potentiale des Ortes zu nutzen und Vorschläge für eine schrittweise Entwicklung zu erarbeiten. Dem Baustoff Holz kommt hier als ökologischer, ökonomischer und vor allem kooperativ zu verarbeitender Werkstoff eine zentrale Rolle zu. Auf der Suche nach einer „Ästhetik des Sozialen“ ordnet das Entwurfsprojekt aktuelle ästhetik- und strukturbasierte Auseinandersetzungen neu ein und lotet partizipative Formen der Gestaltung aus.
Betreuung: Dipl.-Ing. Bittmann